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Fragen über Fragen: Die Question Formulation Technique

Nicht freigegeben, Vogel, Lena [adm-vogel] - 16. Sep 2021, 16:55
Lesezeit: 5 Minuten

Wie viele Fragen haben Sie heute schon gestellt?
Und wenn Sie die Smalltalk-Fragen abziehen?
Noch eine Frage: Sind Sie Student*in oder Lehrperson?

Mich würde der Unterschied zwischen letzteren beiden Gruppen sehr interessieren. Schließlich lernt man schon zur Schulzeit: Die Lehrperson fragt, die lernende Person antwortet. Stellen Lehrende also mehr Fragen?

Warum ich Sie das frage? Weil es in diesem Beitrag um eine Fragetechnik geht, die sogenannte „Question Formulation Technique (QFT)“. Sie soll dabei helfen, sich einem neuen Sachverhalt zu nähern. Und zwar einfach nur durchs Fragen.
Vielleicht haben Sie über einige der Fragen oben bereits nachgedacht. Sind Ihnen weitere Fragen eingefallen? Wie wäre es zum Beispiel mit dieser: Ist es eigentlich gut, dass vor allem Lehrende fragen?
 
Das Right Questions Institute würde dies wahrscheinlich verneinen. Sie sind die Architekt*innen der QFT und sehen sich selbst als „Katalysatoren von Mikrodemokratie“. Das Fragen stellen ist für sie viel mehr als die Suche nach einer Antwort. Im Gegenteil: Schon durch das Fragenstellen versteht man besser, worum es bei einem neuen Thema gehen könnte. Dabei wird außerdem kritisches Denken geschult, und Partizipation gefördert.
 
Das beste: Sie müssen keine Antworten auf die Fragen finden, kein*e Expert*in auf dem Gebiet sein. Die Methode eignet sich deshalb für alle Hochschulkontexte, online und analog: Lerngruppen, Selbstlernphasen, oder Lehrveranstaltungen. Probieren Sie es anhand der folgenden Schritte selbst einmal aus:  
 
1. Organisation: Suchen Sie sich einen Ort, an dem Sie Fragen sammeln können. Dafür eignet sich für kollaboratives Fragesammeln vor allem das Etherpad, auch ein Online-Whiteboard funktioniert. Hier können alle schnell und unkompliziert mitschreiben.

2. Stimulus festlegen: Worum soll es gehen? Sie brauchen einen Stimulus, der anregt, Fragen zu stellen. Das kann z.B. ein Wort oder ein Satz sein, ein Bild, oder eine Karikatur. Oder der Titel Ihrer Veranstaltung, zum Beispiel „8.1 Ethik und Werteorientierung im Management“. Ganz wichtig: Mehr braucht es nicht, und mehr Input soll es auch nicht geben. Das Fragenstellen soll so wenig wie möglich beeinflusst sein, der Stimulus gibt lediglich einen Anstoß und Rahmen vor.
Heißt auch: Keine Beispielfragen vorgeben, um Bias zu vermeiden!

3. Fragen sammeln: Nehmen Sie sich ein paar Minuten (z.B. 5-10, je nach Komplexität des Themas) und sammeln Sie (in Gruppen) auf dem Etherpad oder Whiteboard Ihre Fragen. Die Fragen können von den Fragesteller*innen selbst aufgeschrieben werden, noch einfacher ist es, wenn eine Moderation dies übernimmt. Wichtig ist es jedoch, dass die Fragen in Gruppen laut formuliert werden – so können sie ein Gedankenanstoß für weitere Fragen sein. Besonders spannend ist es zu beobachten, wenn viele Gruppen gleichzeitig arbeiten, wie schnell sich das Board mit Fragen füllt.
 
Beim Fragen sammeln gibt es folgende Regeln:
  • „Sammeln So viele Fragen wie möglich.
  • Keine Unterbrechungen durch Bewertung, Diskussion oder Beantwortung der Fragen!
  • Jede Frage wird exakt so ausgeschrieben, wie sie gestellt wurde.
  • Jede Aussage wird in eine Frage umgewandelt.“ (Right Question Institute 2021, Übersetzung der Autorin)
4. Die Zeit ist um? Identifizieren Sie offene und geschlossene Fragen und schreiben Sie sie jeweils um. Eine geschlossene Ja/Nein-Frage wird zur offenen Frage und vice versa. In Gruppen kann das Schreiben wiederum von einer Moderation übernommen werden, muss aber nicht. Wichtig ist jedoch auch hier, dass die neuen Fragen laut artikuliert werden.

5. Priorisieren: Wählen Sie drei Fragen aus die..
  • … Sie als besonders wichtig empfinden
  • … Ihnen bei Ihrer Forschung helfen
  • … in Ihrem Experiment verwendet werden können
  • … Ihr Schreiben/Lesen leiten
  • … Sie beantworten, während Sie etwas neues Lesen
  • … Ihnen helfen, das Problem zu lösen“ (Right Question Institute 2021, Übersetzung der Autorin)
 
Auf einem Online-Whiteboard oder im Etherpad können die Teilnehmenden hierfür zum Beispiel mit Punkten abstimmen. Es lohnt sich, diese Priorisierung mit der Gesamtgruppe vorzunehmen, damit am Ende ein Konsens für die Gruppe steht. Natürlich können Untergruppen vorher schon einmal priorisieren, und dann ihre Top 3 in der Großgruppe zur Abstimmung stellen.
 
Mit diesen ausgewählten Fragen können Sie weiterarbeiten. Wie genannt können die Fragen Sie bei Ihrer Literaturarbeit begleiten. Die Fragen können für ein erstes Brainstorming genutzt werden, oder die Struktur einer Hochschulveranstaltung mitbestimmen. Vielleicht kommen ja ganz neue Themen auf?

6. Reflektieren: Was sollte das ganze Fragestellen überhaupt? Was wurde gelernt? Wie können Sie das neu Gelernte nutzen? So banal diese Frage anklingen mag: Sie gehört zur Methode dazu, weil erst hier deutlich wird, wie viele Antworten bereits durch simples Fragenstellen gefunden wurden.
 
 
Ein kleiner Spoiler muss erlaubt sein: Die Fragensammlung kann dabei helfen, Interessen herauszukristallisieren, sich in ein Thema einzudenken, verschiedene Aspekte zu beleuchten, und die Komplexität von Sachverhalten aufzuzeigen. Und das alles, ohne eine einzige Frage zu beantworten.
 
Was bringt die QFT noch? Oder sind beim Lesen Fragen aufgekommen? Ist ein Detail noch unklar? Das frage ich Sie. Teilen Sie Ihre Fragen doch in den Kommentaren. Viel Spaß beim Ausprobieren!
 

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